Rezension Die Tavernen im Tiefen Thal
“Wer nichts wird, wird Wirt!”
Wie wahr! Ich weiß, wovon ich spreche, habe ich doch seit nunmehr 33 Jahren nichts anderes geschafft als dieses Beruf. Wie leicht dies geht, wie wenig Qualifikation man dafür braucht, davon kannst du dich nun selbst überzeugen. Im Spiel “Die Tavernen im tiefen Thal” musst du bloß ein bisschen Personal einstellen, hie und da ein paar Verbesserungen vornehmen und ausreichend Bier bestellen, um zahlungskräftige Gäste anzulocken. Bevorzugt betuchte Adlige, die den Ruf deiner Gaststätte steigern.
Aller Anfang ist jedoch schwer, denn deine Taverne besteht zu Beginn gerade mal aus einer Theke und 3 Tischen. Du arbeitest auch ganz alleine, nicht umsonst heißt es, als Selbstständiger werkst du erstens selbst und zweitens ständig. Lediglich eine Aushilfskellnerin kommt ab und zu mal vorbei. Auf der Aktiva-Seite deines Unternehmens – dein Startkartendeck – stehen zudem ein Extratisch, welcher dir manchmal zur Verfügung steht, ein Bierlieferant, der dir von Zeit zu Zeit ein paar Fässer mehr ins Lager rollt, sowie sieben Stammgäste, die aber nur wenig konsumieren und daher nicht viel Umsatz bringen.
Und so schaut ein typischer Abend bei dir aus:
Zuerst füllt sich dein Lokal, indem du so lange Karten aufdeckst, bis jeder deiner Tische besetzt ist. Jede gezogene Karte wird dabei an den passenden Platz gelegt, ein Gast an einen freien Tisch, die Bierkutsche zum Lieferanteneingang, etc.
Danach kommt die Kellnerin, das heißt du würfelst mit deinen vier neutralen Würfeln, zusätzlich darfst du für jede aufgedeckte Kellnerin einen Würfel in deiner Farbe würfeln (bis maximal 3 Würfel).
Der nächste Tagesordnungspunkt ist die Aufnahme der Bestellung, was bedeutet, dass du einen der weißen Würfel wählst und vor dir ablegst (zu deinen farbigen Würfeln). Die anderen gibst du an den Wirtekollegen zu deiner Linken weiter. Dann wählst du einen der Würfel, welche du von deinem rechten Kollegen erhalten hast, usw.
Schließlich geht’s ans Servieren. Du teilst alle vorher “gedrafteten” Würfel passenden Aufgaben zu, also ausliegenden Karten (Personal, Gäste) und Plätzen deiner Gaststätte, welche übereinstimmende Augenzahlen aufweisen. Auf diese Weise nimmst du Geld von Gästen ein und erhältst Bierlieferungen.
Mit Geld kannst du dir neues Aushilfspersonal (Kellnerin, Abwäscher, Bierlieferant, u.ä.) und neue Tische leisten, du kannst aber auch Investitionen in deinem Betrieb vornehmen, beispielsweise Personal fix einstellen, einen größeren Tresor, ein geräumigeres Bierlager oder einen fixen Stammtisch. Investitionen sind zwar teurer, locken dafür aber auch Adlige an, welche sich durch die neuen Anschaffungen offenbar gleich wohler fühlen.
Bier wiederum benötigst du, um neue Gäste anzulocken, die bereit sind, auch mal etwas mehr zu konsumieren und deinen Umsatz entsprechend zu steigern. Und bist du mit Bier mal besonders spendabel, findet sich auch der eine oder andere Adlige gerne bei dir ein, was deinem Ruf sehr förderlich ist.
Irgendwann ist dann doch Sperrstunde. Du schmeißt die Gäste raus, räumst alles wieder sauber weg, sperrst übriggebliebenes Geld in den Tresor und Bier in das Bierlager, und schickst dein Personal heim.
Nach 8 Abenden wird kontrolliert, wie erfolgreich du dein Lokal geführt hast. Dabei zählen vor allem die Stammgäste, welche du anwerben konntest, und von denen besonders die Adligen. Konntest du mehr anlocken als deine Mitbewerber? Gratulation, dann hast du dich als bester Wirt der Tavernen im Tiefen Thal herausgestellt!
Du hast es sicher schon bemerkt. Bei “Die Tavernen im Tiefen Thal” kommen zwei verschiedene Spielmechanismen zum Einsatz, welche auf originelle Art und Weise miteinander verwoben sind. Zum einen findest du den seit “Dominion” bekannten und beliebten Deckbau, zum anderen einen interessanten Würfelauswahlmechanismus.
Dein Startdeck ist ja nicht sonderlich effektiv. Im Laufe des Spiels kommen aber durch Deckbau bessere Karten hinzu. Mit Münzen wirbst du mehr Personal an, stellst zusätzliche Tische auf, verbesserst deine Bierlieferungen. Mit Bier hingegen lockst du spendierfreudigere Gäste in deine Gaststätte. Alle diese neuen Karten – ob mit Geld oder Bier “bezahlt” – kommen übrigens direkt auf den Nachziehstapel, sodass sie schon ab der nächsten Runde auftauchen. Eine vernünftige Maßnahme, da sie sonst bei bloß acht Runden zu wenig oder vielleicht sogar überhaupt nicht zum Einsatz kommen. Übrigens gibt es – wie in den meisten “Deckbuilding Games” – auch hier die Möglichkeit, unbeliebte Karten aus seinem Deck zu entfernen.
Die Würfel dienen schließlich dazu, Karten zu aktivieren. Erst wenn auf einem Gast der passende Würfel liegt, wurde er erfolgreich “bedient” und spült entsprechend Geld in deine Kassa. Und nur mit Würfeln der angegebenen Würfelzahl klappt die Bierlieferung. Die Würfel werden dazu aber nicht einfach nur gewürfelt, sondern auch “gedraftet”. Das heißt, dass du dir von den zur Verfügung stehenden Würfeln immer stets einen Würfel auswählst und die anderen weiterreichst. Du musst also sehr wohl auch auf die Bierdeckel deiner Mitbewerber schielen, um zu sehen, was dir von diesen wohl bleiben könnte, damit du dich bei deiner Auswahl etwas danach richten kannst. Das Würfelglück wird durch dieses “Dice Drafting” etwas reduziert, bei gleichzeitiger Erhöhung der Interaktion.
Bier oder Geld? Diese Frage stellst du dir im Grundspiel stets. Beides ist wichtig, Geld für neues Personal, aber auch für Investitionen, um dauerhafte Vorteile zu erlangen. Und Bier natürlich für neue Gäste. Meist wirst du dich zwar danach richten, welche Würfelzahlen du kriegst, du solltest dich aber doch nach Möglichkeit auf eine Sache konzentrieren und auch deine Investitionen darauf ausrichten.
Wenn im vorigen Absatz von “Grundspiel” die Rede ist, muss ich dir noch erklären, dass Autor Wolfgang Warsch sein Werk gleich mit 5 Modulen ausgestattet hat. Modul 1 stellt sozusagen das Grundspiel dar. Meiner Erfahrung nach solltest du unbedingt mit diesem anfangen, weil das Spiel doch etwas ungewöhnliche Mechanismen aufweist. Die weiteren Module bauen aufeinander auf, bringen Schritt für Schritt mehr Varianz, aber auch mehr Komplexität, mit der du in deiner ersten Partie vielleicht überfordert wärst.
Modul 2 bringt ein zweites Getränk ins Spiel, nämlich den Schnaps. Mit ausreichend Schnaps kannst du die Aktionen trinkfester Gaukler nutzen, welche nach und nach deine Taverne aufsuchen. In Modul 3 kommt eine spezielle Rufleiste zum Einsatz, welche jede Runde eine ausgeglichene Balance zwischen Geld- und Biereinnahmen belohnt und dir zusätzliche Boni und Punkte bringt. Mit Barden kannst du deinen Ruf weiter aufbessern.
Modul 4 ändert die Startvoraussetzungen. Nun fängst du nicht immer mit den gleichen Karten an. Sieben Startkarten stehen zur Auswahl, um bereits von Beginn weg unterschiedliche Strategien verfolgen zu können. Modul 5 führt schließlich ein Gästebuch ein, in das du deine Gäste eintragen kannst. Lockst du gezielt bestimmte Gäste an, erhältst du Extrapunkte und/oder Spezialboni.
Insgesamt gefällt mir “Die Tavernen im Tiefen Thal” – gerade wegen der interessanten Kombination aus den zwei Spielmechanismen – sehr gut. Landsmann Wolfgang Warsch hat es wieder einmal geschafft, ein äußerst originelles Spiel zu präsentieren. Zwei Dinge stören mich jedoch ein wenig, weshalb ich dem Spiel nicht die Höchstnote verpassen will. Einerseits ist der Glücksanteil doch recht hoch. Die Würfel können ungünstig oder vorteilhaft fallen, und auch der Kartennachschub kann sich positiv oder negativ auf deine Aktionen auswirken.
Andererseits spielt es sich doch recht solitär. Interaktion findet eigentlich nur beim Nehmen der Gäste und bei der Würfelauswahl statt, und bei Letzterem kann es passieren, dass du manchmal gar keine richtige Wahl hast, wenn die verbliebenen Würfel die gleichen Zahlen tragen. Trotzdem: Lass dich von diesen beiden kleineren Mängeln nicht abhalten! Es lohnt sich, sein Glück mal als Wirt zu versuchen. Zumindest auf spielerische Art…
Bewertung:
